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Guerilla-Marketing
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07.06.2006

Der folgende Beitrag hat nichts mit Guerilla Marketing zu tun. Trotzdem wirklich erwähnenswert. Ein schönes Beispiel dafür, wie der Marketing-Alltag zur Fallgrube werden kann. Oder anders formuliert: Wie kann ich mit wenig Aufwand meinem Unternehmen einen riesigen Imageschaden zufügen!


Aktenzeichen 3 G 854/06 – dieser Prozess vor dem Hagener Arbeitsgericht könnte für die Stadtsparkasse Herdecke zur Peinlichkeit des Jahres werden. Dahinter steckt eine knallharte Abmahnung des Geldinstituts-Vorstands wegen eines lächerlichen Tippfehlers.



Seit Mitte 1970 kennt man Marianne S. (59) sowohl als loyale, als auch beliebte Sparkassenangestellte. Sie sitzt im Vorzimmer des Vorstands, ist zuständig für die Bereiche Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. In nahezu 36 Dienstjahren hat sie tadellos und ohne jeglichen Grund zur Beanstandung gearbeitet. Nie gab es einen Verweis oder gar eine Abmahnung.


Doch jetzt schwingen die beiden Sparkassen-Vorstände Borgmann und Buerdick gegen ihre langjährige Mitarbeiterin die ganz große Keule. Sie schickten ihr eine Abmahnung – wegen eines übersehenen Tippfehlers in einer E-Mail. Kaum zu glauben, aber wahr: Es geht um einen einzigen fehlenden Buchstaben. Sollte ein solcher Flüchtigkeitsfehler noch einmal passieren, so drohte der Vorstand an, erfolge der Rauswurf.


Vorgeschichte: Die elektronische Post wurde im März verschickt und ging an 3 000 Kunden. Das Schreiben informierte die Inhaber von Privatgirokonten über Leistungs- und Preisveränderungen ab dem 1. April 2006. Darin heißt es: „Die vielfältigen Leistungen diese Kontos . . .“ anstatt „dieses Kontos“.


Der harmlose Schreibfehler, das fehlende „s“, wurde von einem Kunden bemerkt und muss diesen so aufgeregt haben, dass er zum Telefonhörer griff, um sich über den „grammatikalischen Stil“ der E-Mail zu beschweren. DerSparkassenvorstand reagierte daraufhin prompt – und wenig gelassen. Unter dem Datum 5. April erteilte er Marianne S., die das Schreiben gegenzulesen hatte und den Fehler übersah, eine „Abmahnung“.


Darin heißt es vorwurfsvoll: „Der Imageschaden, der der Sparkasse durch solch einen Mangel im Kundenverkehr entstanden ist, lässt sich schwer beheben.“ Das klingt geradezu so, als hätte jemand in den Geldtresor gegriffen und nicht, als ginge es um einen lächerlichen Tippfehler.


Und weiter: „Wir fordern Sie daher auf, künftig größere Sorgfalt walten zu lassen. Mit Nachdruck weisen wir Sie darauf hin, dass wir den dargestellten Sachverhalt nicht dulden, sondern ausdrücklich missbilligen. Für den Fall, dass künftig ein ähnlicher Vorfall bekannt wird, weisen wir darauf hin, dass der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.“


Der Hagener Anwalt Wolfgang Zwiehoff will mit der Presse vor dem Verfahren „kein Wort“ sprechen. Er hat in einem Schriftsatz an das Arbeitsgericht aber bereits zum Gegenschlag ausgeholt: Die Abmahnung wäre „offensichtlich rechtswidrig“ und würde „das Prinzip der Verhältnismäßigkeit missachten“.


Selbst bei denkbar größter Konzentration sei es sogar beim idealsten Arbeitnehmer absolut ausgeschlossen, dass es dem in langjähriger Tätigkeit nicht einmal passiert, einen Tippfehler zu übersehen.


Der Anwalt schießt in seiner Klageschrift scharf gegen den Vorstand: „Zu den Fürsorgepflichten eines Arbeitgebers gehört es, Augenmaß zu bewahren. Das unterstellte Übersehen des Schreibfehlers ist eine Bagatelle“.


Zum Prozess am 12. Juni um 10.45 Uhr vor dem Hagener Arbeitsgericht, haben sich schon zahlreiche TV-Sender und Journalisten aus dem ganzen Bundesgebiet angesagt. Der Imageschaden, der der Stadtsparkasse Herdecke durch das maßlos überzogene Verhalten ihres Vorstands und der öffentlichen Diskussion darüber vor Gericht entstehen könnte, wäre dann wirklich schwer zu beheben.


Gruß
Thorsten Schulte



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